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Minimalanforderungen an ein digitales Langzeitarchiv

Dies ist Version 2.0 der Minimalanforderungen an ein digitales Langzeitarchiv von 2018.
Die Version 1.0 von 2009 ("Minimalanforderungen an die digitale Archivierung") bleibt weiterhin zugänglich.

Einleitung

Das vorliegende Dokument definiert die Anforderungen, die ein digitales Langzeitarchiv nach gegenwärtigem Kenntnisstand und Best Practice erfüllen muss. Es orientiert sich in den Grundlagen und der Terminologie am Referenzmodell OAIS (ISO 14721), in der Strukturierung am nestor-Kriterienkatalog und inhaltlich zudem an den verschiedenen internationalen Ansätzen zur Zertifizierung digitaler Langzeitarchive.

Die Träger der KOST streben an, bei Aufbau und Betrieb ihrer digitalen Langzeitarchive diese Anforderungen in nachvollziehbarer Weise zu erfüllen.

Definition

Ein digitales Langzeitarchiv (dLZA) hat zum Ziel, digitale Unterlagen aus staatlicher und privater Überlieferung über eine lange Zeit verständlich zu erhalten, ihre Authentizität zu garantieren und den Zugang zu ihnen zu ermöglichen. "Lange Zeit" bedeutet hier grundsätzlich eine unbeschränkte Frist, mindestens aber eine Zeitspanne, welche mehrere Generationen an Hard- und Software überdauert.

Digitale Archivalien sind grundsätzlich den gleichen Ansprüchen und Regeln unterworfen wie analoge Archivalien. Die etablierten und bekannten Grundsätze der Archivierung gelten auch für sie. Darüber hinaus muss ein digitales Langzeitarchiv eine Reihe von spezifischen organisatorischen und technischen Anforderungen erfüllen, um der Aufgabe der Informationserhaltung gerecht werden zu können. Diese Anforderungen lassen sich in drei Bereiche gruppieren: Ziele und Organisation, Umgang mit digitalem Archivgut, Infrastruktur und Sicherheit.

Anforderungen an ein digitales Langzeitarchiv

Ziele und Organisation

Die Anforderungen in diesem Abschnitt betreffen den organisatorischen Rahmen, innerhalb dessen das digitale Langzeitarchiv operiert, d.h. seine Zielsetzung, die rechtlichen Bedingungen, die personellen und finanziellen Ressourcen sowie die Organisationsform.

Grundlagen: Die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen werden eingehalten. Für das digitale Langzeitarchiv sind eine Strategie (Ausgangslage, Ziele, Aufgaben) und eine Umsetzungsvariante definiert und von der zuständigen Stelle genehmigt.

Ressourcen und institutionelle Verankerung: Das digitale Langzeitarchiv erfordert auf lange Frist personelle und finanzielle Ressourcen. Es muss aus regulären Budgetmitteln finanziert werden.

Policy: Für die einzelnen Schritte der digitalen Archivierung (Übernahme, Aufbewahrung, Verzeichnung, Bestandserhaltung, Benutzung) sind Prozesse und Datenmodelle definiert. Es bestehen Mechanismen zur Überprüfung der Erfüllung dieser Vorgaben. Prozesse und Datenmodelle unterliegen einem stetigen Wandel und regelmässiger Anpassung an neue Entwicklungen.

Umgang mit digitalem Archivgut

Die Anforderungen in diesem Abschnitt betreffen den Umgang mit digitalem Archivgut während des Lebenszyklus der Objekte im digitalen Langzeitarchiv. Ausgangspunkt sind die im OAIS-Referenzmodell definierten zentralen Aufgaben: Übernahme (Ingest), Erschliessung (Data Management), Archivablage (Archival Storage) inklusive Sub­stanzerhaltung (Bitstream Preservation), Nutzung (Access) sowie die unterstützenden Prozesse Administration und Planung der Langzeiterhaltungsmassnahmen (Preservation Planning).
Diese Teilaufgaben erstrecken sich sowohl auf die digitalen Primärdaten als auch auf sämtliche zum Verständnis notwendigen Metadaten.

Informationspaket: Zusammen mit den Primärdaten wird ein Mindestsatz von deskriptiven und technischen Metadaten abgespeichert (SIP, AIP). Der Zusammenhang von Primär- und Metadaten wird in geeigneter Art sichergestellt. Es wird verifiziert, dass die Metadaten der definierten Struktur entsprechen. Die Dateien, welche die archivierten digitalen Unterlagen repräsentieren, werden in archivtauglichen Formaten gespeichert. Die Archivalien können eindeutig identifiziert werden.

Übernahme: Die Übernahme von Unterlagen ins Archiv erfolgt gemäss einem dokumentierten Prozess (Ingest). Es ist in verifizierbarer Weise definiert, in welcher Form und mit welchen Metadaten Unterlagen übernommen werden (SIP).

Bitstream Preservation: Die archivierten digitalen Unterlagen werden auf einer archivtauglichen Speicherinfrastruktur abgelegt, welche mindestens die folgenden Anforderungen erfüllt: drei Kopien an zwei verschiedenen Standorten, regelmässige Kontrolle der Datenintegrität, nur kontrollierte Zugriffe (Archival Storage).

Findmittel: Die archivierten digitalen Unterlagen werden so erschlossen, dass sie mit geeigneten Mitteln auffindbar sind. Das kann durch Verzeichnung eines Mindestsatzes von deskriptiven Metadaten geschehen, aber auch durch Volltextsuche und Zugriff auf die inhärenten Metadaten der digitalen Unterlagen. Die Erschliessung soll bereits beim Übernahmeprozess aus dem SIP stattfinden.

Benutzung: Das digitale Langzeitarchiv bietet seinem Publikum im Rahmen der rechtlichen Vorgaben Lesezugang zu den archivierten digitalen Unterlagen (Access). Es sind Zugangsprozesse und ‑formate (DIP) definiert.

Preservation Planning: Das digitale Langzeitarchiv plant und implementiert geeignete Massnahmen, um die dauerhafte Lesbarkeit der archivierten digitalen Unterlagen sicherzustellen.

Infrastruktur und Sicherheit

Die Anforderungen in diesem Abschnitt betreffen die technischen Aspekte des Gesamtsystems sowie die Informationssicherheit.

Infrastruktur und Sicherheit: Die Infrastruktur gewährleistet den Schutz des digitalen Langzeitarchivs und seiner digitalen Objekte. Die IT-Infrastruktur setzt nebst den Forderungen aus dem Umgang mit Objekten auch die Sicherheitsanforderungen des IT-Sicherheitskonzeptes um.

IT-Sicherheitskonzept: Das Sicherheitskonzept wurde definiert und umfasst unter anderem die Zugangsberechtigungen und das Reporting der Zugriffe auf die digitalen Objekte. Die Archivmitarbeitenden werden im Bereich IT-Sicherheit geschult.

Anhang

Literatur

American Library Association,
Association for Library Collections and Technical Services
Definitions of Digital Preservation, 2007
http://www.ala.org/alcts/resources/preserv/defdigpres0408

Consultative Committee on Space Data Systems
Reference Model for an Open Archival Information System (OAIS)
CCSDS 650.0-M-2, MAGENTA BOOK, 2012
https://public.ccsds.org/pubs/650x0m2.pdf
(entspricht ISO 14721:2012, https://www.iso.org/standard/57284.html)

Consultative Committee on Space Data Systems
Audit and certification of trustworthy digital repositories
CCSDS 652.0-R-1, Magenta Book, 2011
https://public.ccsds.org/pubs/652x0m1.pdf
(entspricht ISO 16363:2012, https://www.iso.org/standard/56510.html)

DPC DigitalPreservationCoalition
Core Requirements for a Digital Preservation System, 2022
https://www.dpconline.org/docs/digital-preservation/procurement-toolkit/2581-core-requirements-for-a-digital-preservation-system-v1/file

Direction des Archives de France
L’archivage numérique à long terme : les débuts de la maturité ?
Manuels et guides pratiques
Paris, La Documentation française, 2009

Edmunds, Rorie et al.
Core trustworthy data repositories requirements, 2016
https://doi.org/10.5281/zenodo.168411

Nestor-Kriterien
Kriterienkatalog vertrauenswürdige digitale Langzeitarchive, Version 2 (Nestor-Materialien 8), 2008
urn:nbn:de:0008-2008021802

OCLC/CRL
Trustworthy Repositories Audit & Certification: Criteria and Checklist [TRAC], 2007
http://www.crl.edu/sites/default/files/d6/attachments/pages/trac_0.pdf

Versionskontrolle

Version Datum Kommentar
1.0 09.2009 Initiale Publikation
2.0 11.2018 Fokus auf digitales Langzeitarchiv statt digitale Archivierung;
Straffung von Einleitung und Definition;
Organisation der Anforderungen gemäss Nestor-Kriterien;
Aufnahme der Anforderungen «Grundlagen», «Preservation Planning», «Infrastruktur und Sicherheit», «IT-Sicherheitskonzept»;
Aktualisierung der Bibliografie

 

Download

Minimalanforderungen_dLZA_v2.0.pdf

Minimalanforderungen an ein digitales Langzeitarchiv, Version 2.0
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